20.06.2023 / Agenda Innere Stadt

250.000 tägliche Besucher:innen treffen auf 16.000 Bewohner:innen

In der Inneren Stadt trifft jede/r Bewohner:in unweigerlich bereits beim ersten Schritt aus der eigenen Haustür auf Tourist:innen. Wie es den Bewohner:innen mit den Gästen der Stadt geht und welche Auswirkungen der Tourismus auf den öffentlichen Raum hat, darüber haben wir Mitte Juni diskutiert.

 

Der fast runde Tisch war diesmal in Sichtweite der zentralen Tourist-Info hinter der Staatsoper, am Albertinaplatz, aufgebaut. Es lauschten und diskutierten rund 25 Personen  mit. Die Expert:innen Cornelia Dlabaja und Norbert Kettner, sowie Bewohner:innen, Politiker:innen und weitere Interessierte brachten sich ein.

 

Expertise am fast runden Tisch

 

Cornelia Dlabaja, Soziologin und promovierte Kulturwissenschaftlerin erforscht vorrangig die Stadt. Dabei geht es um den teils hart umkämpften öffentlichen Raum und wie ausgehandelt wird, wer Recht auf diesen hat. Interessant waren ihre Ausführungen zu Venedig und die „Touristifzierung“.

Auch wenn die Belastungen im Alltag der Venezianer:innen noch nicht mit jenen der Bewohner:innen des 1. Bezirks zu vergleichen sind, wollen wir rechtzeitig handeln, damit es nicht soweit kommt.

 

Sie betonte, dass es wichtig ist immer das leistbare Wohnen in der Inneren Stadt im Fokus zu behalten, da durch die derzeit rund 8.000 Kurzzeitvermietungen(1) aber auch durch den Trend Wohnungen als Wertanlage zu verstehen, der Wohnungsmarkt eine Schieflage bekommen kann.

 

Solange Wien ein sehr gutes Mietrecht hat, sind in vielen Fällen die Mieter:innen geschützt. Aber es stellte sich heraus, dass in Einzelfällen Bewohner:innen durch Kurzzeitvermietungen in ihrem Haus schwer betroffen sind.

 

Norbert Kettner, seit über 15 Jahren Geschäftsführer des Wien Tourismus, erläuterte, die Aufgaben des Wien Tourismus. Dazu gehören die touristischen Interessen der Stadt zu vertreten, aber auch die Bewohner:innen bei dieser Aufgabe nicht aus den Augen zu verlieren. Wien Tourismus sieht ganz bewusst davon ab, Massentourismus zu promoten.

 

2019, vor der COVID-Pandemie, erzielte Wien rund 17,6 Mio. Nächtigungen bei 7,9 Mio. Ankünften. Heuer liegen die Ankünfte zwar 5 % unter diesem Wert, allerdings liegen die Umsätze weit über jenen von 2019. Das Besondere an Wien ist, dass wir nicht von einer Saison sprechen können, wie dies in westlichen Bundesländern meist der Fall ist. In Wien ist immer Saison – deshalb gibt es auch für die Bewohner:innen nie eine Pause des Touristenstroms.

 

Eine Verschnaufpause

 

Ein Pause gab es in den Jahren 2020 und 2021. Die anwesenden Bewohner:innen bekamen beim Gedanken an die Lockdowns ein Lächeln ins Gesicht „schön war das – alles leer, richtig viel Platz überall und so ruhig“.

 

Das wohl spannendste für die Bewohner:innen ist, dass es seit 2019 eine sogenannte „visitor economy startegie“ gibt. Dabei geht es um die Balance der Bedürfnisse von Besucher:innen und jenen der Bewohner:innen, mit dem Ziel einen Mehrwert für die gesamte Stadt zu erzielen.

Der Tourismus ist ein tragender Wirtschaftssektor – Wien braucht den Tourismus, aber eben nicht um jeden Preis, waren sich alle Anwesenden einig.

 

Ganzjährige Belastungen

 

Ein Bewohner bringt das Thema der zunehmenden Demonstrationen zur Sprache. Alle sind sich einig, dass es gut ist, dass es ein Demonstrationsrecht gibt. Dieses wird allerdings immer wieder genutzt, um Veranstaltungen abzuhalten, die bereits seitens Verwaltung und Bezirkspolitik eine Absage erhalten hatten.

 

Auch der Ausgeh-Tourismus wird von einer anderen Bewohnerin als Belastung genannt. Dieser tritt lokal auf – aber auch in diesen betroffenen Grätzl leben Menschen und leben mit den nächtlichen Ruhestörungen.

 

Die Lärmbelastung ist insgesamt ein wichtiges Thema für alle anwesenden Bewohner:innen. Hierbei geht es nicht nur um den Lärm der feiernden Menschen, sondern auch um den Straßenlärm. Im gleichen Atemzug mit dem Straßenlärm wurde die Belastung durch die Hitze genannt. „Braucht es tatsächlich an einem so zentralen und historischen Platz, wie dem Heldenplatz, einen Parkplatz mit rund 150 Autos?“ Eigentlich nicht!

 

Das Gute kommt am Schluss …..

 

Vieles ist in den vergangenen Jahren passiert und viele Projekte sind im Entstehen. Wien Tourismus arbeitet an einer Bus-Strategie. Busse sollten nicht mehr in das Zentrum reinfahren können.

Es wurden einige Begegnungszonen in der Inneren Stadt umgesetzt, Platzgestaltungen wie der Neue Markt werten Orte abseits der Tourismusströme auf, weitere Umgestaltungen wie jene am Michaelerplatz werden folgen.

 

Wien braucht den Tourismus und die Innere Stadt hat wunderschöne Architektur, Kunst, Kultur und ausreichend öffentlichen Raum.

Wichtig ist, diesen öffentlichen Raum auch so fair aufzuteilen und zu gestalten, dass die Bewohner:innen ihn im Alltag nutzen können! Die Innere Stadt wird nur dann weiterhin so attraktiv für Gäste bleiben, wenn es auch Bewohner:innen gibt, die sie mit Leben füllen.

 

(1) rund 8.000 Kurzzeitvermietungen, wie Airbnb, finden derzeit in Wien statt. Nahezu alle innerhalb des Gürtels und im 2. Bezirk.